Agiles Arbeiten in der Kita – Führung neu denken!

Die Herausforderungen, die Kita-Teams nicht erst seit der Corona-Pandemie zu Beginn der 2020er-Jahre zu stemmen haben, sind eine Kombination aus komplexen Veränderungsprozessen: der digitalen und demografischen Entwicklung, dem vielfältigen Wandel in Gesellschaft und Familienmodellen sowie dem gewachsenen Anspruch an Bildung, Betreuung und Erziehung bei gleichzeitig steigender Bürokratie und unzureichender Personaldecke im Arbeitsfeld. Die gestiegenen Erwartungen an Zuständigkeiten und Qualität, der Fachkräftemangel und die Digitalisierung lösen daher schon seit geraumer Zeit Umbrüche in Kindertageseinrichtungen aus. Diese Veränderungsprozesse aktiv mitzugestalten, ist für viele Leitungskräfte und auch die pädagogischen Teams nicht immer leicht und vielfach auch belastend, sodass vielerorts nach neuen Lösungen gesucht wird. (vgl. Günster-Schöning 2022, S. 15).

Doch wie führt man sich selbst und seine Mitarbeitenden erfolgreich durch eine Zeit, die geprägt ist von zunehmend knapper werdenden Ressourcen, sich anbahnenden Naturkatastrophen, einem Krieg, der mitten in Europa tobt, sowie einem eklatanten Fachkräftemangel im Bereich der frühkindlichen Bildung? Die Frage ist omnipräsent und treibt viele Leitungskräfte an und um. Die Antwort hingegen ist weniger klar, eher nebulös. Zudem leben wir in der sogenannten VUCA-Welt. Dieses Akronym, das in den 1990-er Jahren geprägt wurde und vor allem im Bereich von Unternehmen verbreitet ist, bezieht sich auf die Begriffe „volatility“ („Flüchtigkeit „), „uncertainty“ („Unsicherheit“), „complexity“ („Komplexität“) und „ambiguity“ („Mehrdeutigkeit“). Damit werden Merkmale der modernen Welt beschrieben, auf die es zu antworten gilt, um unter veränderten Bedingungen zurechtzukommen und gut miteinander arbeiten zu können.

Agiles Arbeiten und das damit verbundene agile Management könnte dabei ein hilfreicher Ansatz für Leitungskräfte von Kindertageseinrichtungen sein, denn diese stehen, wie oben beschreiben, vor besonderen Herausforderungen in ihrem Handeln. Agiles Arbeiten bedeutet im Grunde nichts anderes, als sich rasch und flexibel an Veränderungen anzupassen, kurzfristig zu reagieren und dadurch erfolgreich zu handeln. Agiles Arbeiten bedeutet aber auch, innovativ zu denken und zu arbeiten, statt an veralteten Prozessen festzuhalten. Von daher gilt es das Team auf dem Weg der Veränderung aktiv mitzunehmen.

  • Inwiefern haben Sie sich im Team schon mit diesem Thema befasst und wie stehen Sie persönlich dazu?
  • Welche Denkmuster und Überzeugungen tragen sie aus welcher Zeit in sich und wann haben Sie darüber nachgedacht bestimmte Muster im Alltag zu durchbrechen, Dinge bewusst anders zu tun?
  • Was gilt es zu bewahren, weil es auch heute noch wichtig und richtig ist?
  • Was wollen Sie bewusst verändern, und von welchen Prozessen, Überzeugungen oder Haltungen sollten bzw. müssen Sie sich trennen?

Agiles Arbeiten wird meiner Meinung nach auch in pädagogischen Arbeitsfeldern immer unverzichtbarer werden, denn die weitreichenden Veränderungen innerhalb der Gesellschaft, in Natur und Umwelt sowie im Miteinander fordern uns immer wieder auf umzudenken, gewohnte Abläufe und Prozesse auf den Prüfstand zu stellen, Denkmuster zu durchbrechen. (vgl. Günster-Schöning 2022, S. 8).

Es gilt daher als erstes die Führung neu oder zumindest anders zu gestalten.
Ein agiles Management kann dabei helfen, denn es ist ein auf die in den Organisationen agierenden Menschen zugeschnittenes Führungs- und Leitungsmodell, das die Verantwortung auf die tatsächlich relevanten, kompetenten Mitarbeitenden verteilt. Es regt zur Selbstorganisation an und nutzt die vorhandene Komplexität für erfolgreiche Arbeit mit Menschen. Generell ist es daher eine eher „intuitivere“ Art der Zusammenarbeit, gleichwohl ist es für viele Menschen, die in „traditionellen“ Strukturen groß geworden sind, oft schwer, „einfach“ loszulassen und umzudenken. Und so ist eine Transformation hin zu einer völlig anderen bzw. neuen Denk- und Handlungsweise nicht „mal eben so“ zu vollziehen. Denn das Verändern der Denkmuster ist das schwerste im Prozess und oft leichter gesagt als getan. Denn das eigene Denken zu verändern, passiert nicht durch Anordnung, lässt sich auch nicht rational begründen, engagiert herbeireden und schon gar nicht trainieren.

Agiles Management ist daher auch keine fertige Methode,
sondern lebt von der fortwährenden Verbesserung durch die Anwender selbst. Eine agile Geisteshaltung, die niemals einen Endzustand annimmt, sondern das Beste aus der jeweiligen Situation herauszuholen und sich ständig weiterzuentwickeln sucht, ist hierbei entscheidend. Oder wie es Thomas Michl ausdrückt:
„Die agile Geisteshaltung – die gerade im agilen Manifest zum Ausdruck kommt – rückt nicht den Formalismus in den Vordergrund, sondern das Ergebnis und die Beteiligten. Die agile Geisteshaltung lehnt Absolutheit ab. Betrachtet die Dinge nicht als in Stein gemeißelt. Sondern hinterfragt sich selbst. Die agile Geisteshaltung ist eine ganzheitliche Betrachtung des Teams, des Umfelds, des Ergebnisses und aller Beteiligten. Die Vorstellung, dass es niemals einen Endzustand gibt, sondern es darum das Beste aus der jeweiligen Situation herauszuholen und sich ständig weiterzuentwickeln.“

Agile Organisationen passen sich daher auch unentwegt sich vollziehenden Wandlungsprozessen an, weil sie nicht starr sind und einzig vorgeschriebenen Prozessen folgen müssen. Ziel ist es, echten Mehrwert für die Kunden, in diesem Fall die Kinder und deren Familien, zu schaffen.

Darüber hinaus sind Werte, die das tagtägliche Zusammenarbeiten mit KollegInnen, Eltern und Kindern bestimmen, von großer Bedeutung. Werte wie Transparenz, Kommunikation und Kooperation, Selbstverantwortung, Fehlerfreundlichkeit und Freiheit, Mut und Empathie sollten in jedem Team als Prinzipien und Regeln konkretisiert werden, die eine Entscheidungsgrundlage für Handeln bilden.

So könnte der Wert: „Transparenz“ zum Beispiel im Prinzip: „Wir schaffen Transparenz, um unsere Prozesse und Arbeit gemeinschaftlich beurteilen zu können“ münden, oder der Wert: „Mut“ spiegelt sich im Prinzip: „Wir sind fehlerfreundlich, um mutig Neues ausprobieren zu können“ wider.

Solche Prinzipien und die Frage, welche Methoden und Tools nutzbar sind, um die agile Zusammenarbeit zu fördern, bilden dann den Nährboden für die weitere gemeinsame Entwicklung der Kita und eine zukunftsorientierte Zusammenarbeit im Team. Insgesamt hätte dies das Potenzial, die anspruchsvolle Arbeit in Kindertageseinrichtungen weiter zu verbessern, die Leitung zu entlasten, das Team zu stärken und das Wohl der Kinder und Familien in den Mittelpunkt zu rücken.

Fazit:
Es ist meiner Ansicht nach äußerst sinnvoll, sich mit agilen Denk- und Handlungsweisen auseinanderzusetzen, besonders in den oben beschriebenen komplexen Arbeitsumgebungen.

Wenn eine Kita-Mannschaft beschließt, auf eine neue Art der Zusammenarbeit umzusteigen, die von agiler Grundhaltung, Werten und Prinzipien geprägt ist, wird nicht länger nur eine Führungskraft die alleinige Verantwortung für die Zusammenarbeit mit dem Träger, die Mitarbeitenden-, Eltern- und Personalentwicklung und letztendlich für das Geschehen in der Einrichtung tragen.

Stattdessen werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu inspiriert, für sich und ihren Arbeitsbereich selbst Verantwortung zu übernehmen.

Quellen und zum Weiterlesen:
Günster-Schöning, Ursula: Erfolgreiche Teamführung im KinderGARTEN. Ein Reflexionsbuch für Kitaleitungen, Belz Juventa 2022
Günster-Schöning, Ursula: Erzieher:in sein; 45 Methodenkarten zu Selbstverständnis, Aufgabenprofil und Zukunftschancen, Don Bosco Verlag, 2022
Günster-Schöning Ursula (Herausgeberin), Leitungsheft: KiTa aktuell spezial – Thema: Leitungskompetenzen, Ausgabe 5.2022, Carl Link Verlag
(Thomas Michl) Toms Gedankenblog   https://tomsgedankenblog.social/
Hofert Svenja: Agiler führen: Einfache Maßnahmen für bessere Teamarbeit, mehr Leistung und höhere Kreativität, SpringerGabler, 2016
Nickel Susanne; Keil Gunhard: So geht Agilität: Die besten agilen Methoden im Job, Haufe TaschenGuide, 2020

Ursula Günster-Schöning ist Systemischer Coach (Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie), Senior Coach QRC (Qualitätsring Coaching), staatlich anerkannte Fachwirtin im Sozialwesen und Erzieherin, zertifizierte Mentaltrainerin (Vita Novitas) sowie Inhaberin des Fortbildungsinstituts ERFOR. Sie war 20 Jahre im Bereich der Elementarpädagogik tätig, sechszehn Jahre davon als Kitaleitung. 2006 gründete sie das Fortbildungsinstitut ERFOR und begleitet seitdem Teams bei Veränderungsprozessen. Zudem arbeitet sie als Speakerin, Moderatorin, Weiterbildnerin, Autorin und coacht Führungskräfte online und in ihrer Coachingpraxis in Meppen.