Medienerziehung von Anfang an
Diese Entwicklung der frühen Mediennutzung führte auf Seiten der Medienpädagogik zur Überlegung, ob angesichts der frühen Nutzung der Medien auch eine Medienerziehung für diese Zielgruppen sinnvoll und angebracht ist. Im Mittelpunkt der Überlegungen standen dabei die Fragen, was können Kinder im Krippen- und Kindergartenalter und wo kann Medienerziehung, die Kinder in ihren Kompetenzen fördert und spielerisch eine Auseinandersetzung mit Medien ermöglicht, ansetzen.
Grundlegend für medienpädagogische Konzepte in Krippe und Kindergarten ist, dass sie sich an den Bedürfnissen und Interessen der Kinder sowie ihren altersbedingten Fähigkeiten orientieren müssen. Sie müssen sich dabei immer in ein pädagogisches Gesamtkonzept einordnen und dürfen niemals der körperlichen, gesellschaftlichen, gefühlsmäßigen und gedanklichen Entwicklung der Kinder im Wege stehen oder sie behindern. Ein medienpädagogisches Konzept muss deshalb die Medienwelt der Kinder und ihre Verarbeitungsformen in den Mittelpunkt stellen. Dies bedeutet, die Medienwelt für Kinder frühzeitig durchschaubar zu machen. Diese nehmen immer früher und immer vielfältiger einen Platz in der Lebenswelt von Kindern ein. War es früher das Fernsehen, das im Mittelpunkt der kindlichen Mediennutzung stand, so ist das Feld heute nicht mehr eindeutig zu bestimmen. Je nach Elternhaus und zur Verfügung stehender Medien dominieren bei den Kindern spezifische mediale Vorlieben. Ging es früher vor allem darum den Fernseher aus dem Kinderzimmer zu verbannen, so steht heute im Mittelpunkt, die Medienvielfalt in den Griff zu bekommen und einen sinnvollen und genussvollen Medienumgang zu befördern. Vor allem durch die Verlagerung der Mediennutzung auf mobile Medien ergeben sich für die Medienerziehung neue Herausforderungen. Smartphone und Tablet haben dazu beigetragen, dass Medien immer und überall dabei sind und damit auch die Nutzung immer und überall erfolgen kann. Sei es im Auto, auf langweiligen Fahrten, im Restaurant, wo Eltern sich unterhalten und Kinder beschäftigt sein wollen, oder zu Hause, wo Smartphone und Tablet den neuen Mittelpunkt der medialen Familienwelt darstellen und die Vorlese-App den Kindern den Abend versüßt oder die Bilder und Filmschnipsel auf dem Smartphone den letzten Familienausflug vergegenwärtigen. „Medienkinder von Geburt an“ lautete deshalb bereits 2006 der Titel einer Tagung und einer Veröffentlichung[1], die verdeutlichte, dass Medien immer früher medienpädagogische Relevanz besitzen und für die Medienerziehung von Bedeutung sind. Ziel der Medienerziehung ist dabei die Förderung von Medienkompetenz. Dies bedeutet Kinder für ein souveränes Leben mit Medien stark zu machen und Medien als integrierten Bestandteil des sozialen und gesellschaftlichen Lebens zu begreifen.
Den Eltern kommt hier von Anfang an eine wichtige Aufgabe zu. Sie haben die primäre Verantwortung für Medienerziehung und sind gefordert, das Medienhandeln ihrer Kinder zu begleiten. Eltern sollen dabei:
- den Medienalltag in der Familie beobachten und problematische Auswirkungen vermeiden helfen,
- die Medienvorlieben und –handlungsmuster der Kinder interessiert verfolgen, positive Tendenzen unterstützen, Orientierungshilfen bei der Wahl der Angebote geben,
- als Gesprächspartner bei der Verarbeitung starker Medienerlebnisse zur Verfügung stehen und interessante oder strittige Medieninhalte als Basis für familiäre Diskussionen nutzen,
- gemeinsam Regeln für die täglichen Formen, Zeiten und Rahmenbedingungen der Mediennutzung aushandeln, auf ihre Einhaltung achten und bei problematischen Handlungsmustern klare Grenzen setzen.
Dieser Aufgabenkatalog ist sehr umfangreich und überfordert viele Eltern vor allem aus schwierigen sozialen Milieus. Sie brauchen deshalb so früh wie möglich professionelle Unterstützung von Erziehenden in der Kita. Medienerziehung muss somit auch fester Bestandteil in der Arbeit von Kindertagesstätten sein. Dies kann in Form von Gesprächen über Medienvorlieben im Stuhlkreis sein oder auch durch Malaktionen, in denen Kinder ihre medialen Helden und Heldinnen bildlich darstellen.
Der Königsweg einer Medienarbeit mit Kindern, die an ihren Interessen und Bedürfnissen ansetzt und autonome Erfahrungen ermöglicht, liegt aber in der aktiven Medienarbeit. Sie bietet die Möglichkeit, sich mit Hilfe von Medien mit sich und der Umwelt auseinander zu setzten und Medien gezielt als Werkzeug für kreative Prozesse zu nutzen.
[1] Vgl. Helga Theunert (Hrsg.): Medienkinder von Geburt an: Medienaneignung in den ersten sechs Lebensjahren. München (2007).
Anregungen für medienpädagogische Projekte in der Kita sind zu finden unter:
Weiterführende Literatur:
- Anfang/Demmler/Struckmeyer: wischen, klicken, knipsen. Medienarbeit mit Kindern. Kopäd 2015.
- Roboom, Susanne: Medien zum Mitmachen. Herder 2019.
Günther Anfang
Medienpädagoge, Studium der Erziehungswissenschaft und Lehramt für Grund- und Hauptschule (MA, LMU München). Seit 1980 am JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis; aktuell freiberuflicher Referent für Medienerziehung im frühkindlichen Bereich.
Ich bin Speaker auf dem DKLK Düsseldorf, Stuttgart, Leipzig, Wiesbaden, Hamburg, Berlin und München 2024.