Der Dominoeffekt: Warum Kinderschutz auch den Schutz der Fachkräfte betrifft

In der Arbeit mit Kindern in Kindertageseinrichtungen steht der Kinderschutz stets im Mittelpunkt. Doch oft wird übersehen, dass dieser nicht nur die Sicherheit und das Wohlergehen der Kinder betrifft, sondern auch die Gesundheit und das Wohlbefinden der Fachkräfte. Es gibt vielschichtige Zusammenhänge zwischen Kinderschutz und dem Schutz der Fachkräfte in Kitas.

Ursachen und Belastungsfaktoren für Fachkräfte
Die Belastungsfaktoren für Fachkräfte in Kitas sind vielfältig und reichen von unzureichenden strukturellen Rahmenbedingungen über Zeitdruck bis hin zu körperlich anstrengender Arbeit und geringer gesellschaftlicher Anerkennung. Studien wie die STEGE-Studie zeigen, dass die strukturellen Rahmenbedingungen in Kitas einen direkten Einfluss auf die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der Fachkräfte haben. Chronischer Stress, hohe Arbeitsbelastung und mangelnde Ressourcen führen zu erhöhten Fehlzeiten, Krankheiten und einem hohen Risiko für Burnout.

Glaubt man den Statistiken zur Berufsunfähigkeit von ErzieherInnen wird jede 3. Erzieherin vor dem Eintritt ins Rentenalter berufsunfähig. Ihre Tätigkeit ist psychisch und physisch anspruchsvoll, weshalb das Risiko berufsunfähig zu werden relativ hoch ist und mit zunehmendem Alter steigt. Vor allem psychische Erkrankungen durch arbeitsbedingte Lärmbelastung und Rückenbeschwerden durch häufige Fehlhaltung gehören zu den häufigsten Ursachen für Berufsunfähigkeit.

Konsequenzen für Kinder und Fachkräfte
Die Auswirkungen von belasteten Fachkräften auf die Betreuung und Entwicklung der Kinder sind gravierend und reichen von Verhaltensauffälligkeiten bis hin zu Traumata. Gleichzeitig leiden Fachkräfte unter einem hohen Maß an Stress, Überforderung und gesundheitlichen Problemen. Aus Studien von z.B. Remsberger-Kehm können Überlastungen im pädagogischen Alltag zu Fehlverhalten von Fachkräften in Kindertageseinrichtungen führen. Ein feinfühliger Umgang mit Kindern wird erschwert bzw. verhindert, bzw. verletzende Verhaltensweisen werden durch Stress begünstigt (vgl. Boll & Remsperger-Kehm 2020a & b, 2021).

Auswirkungen von Betreuung und Umgang mit dem Kind auf die kindliche Entwicklung
Die kindliche Entwicklung steht im direkten Zusammenhang mit der Qualität der Betreuung und des Umgangs in der Kita. Die pädagogische Qualität in Kitas ist eng mit der kognitiven Entwicklung der Kinder verbunden. Kinder aus „hochrisiko-Familien“ profitieren besonders von hoher pädagogischer Qualität.

Eine gute Bindung und hohe Prozessqualität in der Betreuung fördern das kindliche Verhalten und die Entwicklung von sozialen Fähigkeiten, Selbstbewusstsein und Beziehungen zu anderen.
Studien zeigen, dass 90% der Gehirnentwicklung eines Kindes in den ersten fünf Jahren stattfinden. Fachkräfte und ihr Verhalten bzw. Umgang mit den Kindern spielen also eine entscheidende Rolle für die emotionale Kompetenz und das Verhalten der Kinder.

Maßnahmen zur Verbesserung
Der Schutz der Kinder und der Fachkräfte in Kitas ist untrennbar miteinander verbunden. Nur wenn die strukturellen Rahmenbedingungen verbessert werden und die Gesundheit und das Wohlbefinden der Fachkräfte gewährleistet sind, kann eine qualitativ hochwertige Betreuung und Entwicklungsförderung für die Kinder sichergestellt werden

Wie das geht, genaue Zahlen und weitere konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation erfahren Sie in meinem Vortrag beim diesjährigen Deutschen Kitaleitungskongress.

 

Carina Neumann 

Carina Neumann ist studierte Kindheitspädagogin, hat über 10 Jahre Erfahrung in der Arbeit mit Kindern, Eltern und Fachkräften. Als ehemalige Kita-Leiterin arbeitete sie intensiv an der Qualitätsentwicklung von Bildungs- und Kindertageseinrichtungen. Ihr persönliches Streben ist die nachhaltige Gestaltung der Qualitätsentwicklung durch qualifizierte MitarbeiterInnen und vorteilhafte Rahmenbedingungen. Frau Neumann ist zudem ausgebildet in der Entwicklung und Erziehung von Kleinkindern, Kinderschutz und professioneller Gestaltung von Alltagssituationen und frühkindlichen Bildungsangeboten. Sie ist Referenten bei verschiedenen Standorten beim DKLK und nun am 28. November 2024 in München.

Literatur:  
Voss, A. & Viernickel S. (2015): STEGE – Strukturqualität und Erzieher_innengesundheit in Kindertageseinrichtungen. Wissenschaftlicher Abschlussbericht.  
Boll, A. & Remsperger-Kehm, R. (2021): Verletzendes Verhalten in Kitas. Eine Explorationsstudie zu Formen, Umgangsweisen, Ursachen und Handlungserfordernissen aus der Perspektive der Fachkräfte. Opladen, Toronto, Berlin: Verlag Barbara Budrich.  
Boll, A. & Remsperger-Kehm, R. (2020a): Wahrnehmen – Verstehen – Antworten. Zur Entwicklung Sensitiver Responsivität in Zeiten besonderer Belastung. In Frühe Kindheit. Zeitschrift der deutschen Liga für das Kind. (1/2020), S. 54-59.  
Boll, A. & Remsperger-Kehm, R. (2020b): Das Wohl von Kindern schützen – Fachkräfte unterstützen. In: Botzum, E. & Remsperger-Kehm, R. (Hrsg.): Betreuung von Kleinstkindern – Qualität von Anfang an in Krippe, Kindergarten und Kita. Schwerpunkt: Kinderschutz in Tageseinrichtungen. Kronach: Carl Link Verlag, o.S